NEUIGKEITEN !!!

DIE AURA DER DINGE

 

Ein Zufall, daß sich der Objekt-Künstler BERND BLOCK hier in CADAQUES, dem Sommer-Ort von MARCEL DUCHAMP niederließ: Ein Zufall deshalb, weil der Altmeister DUCHAMP die neuen, noch ungebrauchten Alltagsprodukte bevorzugte, für die er den Namen Ready-made erfand, und BERND BLOCK das „objet trouvé“, das gebrauchte Fundobjekt für seine Arbeit verwendet. Aber zwischen NEU UND ALT, zwischen UNGEBRAUCHT UND GEBRAUCHT, liegen die unüberbrückbaren Gegensätze der beiden gegenständlich arbeitenden Künstler, die so gänzlichst verschiedenen Generationen angehören. Was BERND BLOCK bei den aufgefundenen Dingen besonders liebt, IST DIE GEGENWÄRTIGKEIT DES VERGANGENEN, die Spuren ihres Alters, ihrer Verwendung, ihrer Geschichte. Und je nutzloser, wertloser und deformierter DER UNKENNTLICHE DING-REST, desto größer die Möglichkeit seiner Weiter-verwendung! Und BERND BLOCK verwendet die Dinge um ihrer selbst willen und nicht wegen ihrer banalen oder monströsen Bedeutungslosigkeit - wie DUCHAMP den ‘Flaschentrockner von 1914 oder das ‘Pissoirbecken von 1917. BERND BLOCK dagegen sucht nach der AURA DER DINGE, nutzt ihr gealtertes, verän­dertes, verstümmeltes Aussehen, um dem Betrachter die individuelle Einmaligkeit des benutzten Gegenstandes bewußt zu machen. Was zählt, ist die Intimität, der Charakter, DIE BIOGRAPHIE DER FUNDSTÜCKE, die jeweilige Verbindung und Bindung zu ihrem ehemaligen Benutzer oder Besitzer: Die menschliche, soziale oder gesellschaftskritische Komponente der gebrauchten, mißbrauchten und im Stich gelassenen Dinge. Unübersehbar die Menge der täglich aufs Neue produzierten, überflüssigen und weggeworfenen Dinge. Abfallprodukte, die mit dem Verlust ihrer Funktion auch ihren Wert als Ware verlieren und durch NEUE, BESSERE Produkte verdrängt und ausgetauscht wurden. Wegwerfprodukte, die sich am Ende ihrer Funktionsfähigkeit und Brauchbarkeit, von Rost zerfressen in viele Einzelteile auflösen, und mit anderem anfallenden Müll oder Schrott BIS ZU IHRER UNKENNTLICHKEIT vermischen. Und trotzdem ÜBERLEBEN gerade diese fragmentierten, verschlis­senen, kunstfernen Überreste unserer Überflußgesellschaft häufig ihren ehema­ligen Besitzer um ein Vielfaches, weil sie BERND BLOCK irgendwo entdeckt, einsammelt und aufs Neue verwendet. Bei ihm ist das Suchen, Auffinden, Einsammeln und neu Zusammenfügen der Dinge ein täglicher Produktionsablauf, der “im Sinne des erweiterten KunstbegriffsM von BEUYS alles miteinschließt, was in unserem alltäglichen Umfeld zu entdecken ist. Jedes noch so nebensächlich und bedeutungslos erscheinende Fundstück IST EIN GROTESKES ABBILD UNSERER WESTLICHEN GENUSS-GESELLSCHAFT. Und so sammelt BERND BLOCK bevorzugt in der Peripherie, IN DEN RÄNDERN unserer Wohnorte, wo sich die erbärmlichsten Überbleibsel vertrauter Identitäten anhäufen und die sinnliche,. haptische Präsenz von Eisenblechen, Werkzeug- und Maschinenteilen, Platten, Kanistern, Kisten- und Möbelstücken, Stoff- oder Lederresten, Boots- und Autoresten eine besondere Qualität entwickelt. Und manchmal genügt eine geringfügige Veränderung oder Ergänzung, eine Bündelung von disperaten Einzelteilen UND DIE POLARITÄTEN der Elemente lassen sich aufheben und wieder zu einem geschlossenen NEUEN GANZEN arrangieren. So entstehen Wand- und Raum-Objekte, Assembiagen, altarähnliche Schreine und Stelen, Kisten- und Kofferobjekte, und kleinere Installationen in privaten und öffentlichen Lebensräumen. Was beeindruckt, ist die kenntnisreiche und handwerkliche Zusammenführung widersprüchlichster Materialien, die über eine enorme sinnliche Qualität verfügen. Und es ist erstaunlich, welche Plastizität mit den flachgeklopften, rostzersetzten und rostgefärbten Blechplatten zu erreichen ist, wenn BERND BLOCK das fatale Gerümpel unserer Alltagswelt mit seinen Händen bearbeitet hat! Und plötzlich entsteht eine neue Partnerschaft mit dem kultur-feindlichen und gewalttätig erscheinenden KONSUMMÜLL, sobald er seinen zugewiesenen Ver­wahrungsort verläßt, seinen vorgezeichneten Unwert verliert und in die besondere ENKLAVE DER KUNST verlagert wird, um hier in die figürliche Silhouette eines Frauenaktes oder in einen archaisch wirkenden ZEICHEN-FETISCH verwandelt zu werden. Bei BERND BLOCK entdeckt der Betrachter, was ihm üblicherweise längst abhanden gekommen ist: Die Wahrnehmungsfähigkeit für minimalste Oberflächen-Strukturen, für Altersflecken, Ruß- und Ölschlieren, Stoß- und Kratzspuren. DER BLICK AUF DAS ALLERKLEINSTE DETAIL, in dem sich die Gesamtheit der Welt zu erkennen gibt. KUNST AUS ENTMÜNDIGTEN, VERWILDERTEN NICHTIG­KEITEN: Die Metalle und Hölzer wie Sehnen, Muskeln und Nervenstränge. Eine vitale, kompromißlose Trümmer-Substanz, aus der eine neue Ästhetik unseres Bewußtseins entsteht. Was hier geschieht, ist die ironische UMWERTUNG der banal und primitiv erscheinenden Fundstücke in kunstwürdige, harmonisch wirkende Neuordnungen der zeitgenössischen Skulptur. Gerade in unserer gegenwärtigen Zeit des Perfektionismus ist DAS FRAGMENT, DAS UNVOLLSTÄNDIGE, NUTZLOS ERSCHEINENDE DING ein besonders wirksamer Spiegel unserer eigenen Wahrnehmungsweise. Und so kann das entlegendste und befremdlichste Segment zum RICHT- UND MAHNZEICHEN, zum Katalysator unserer eigenen Empfindungen und Gedanken werden, die unter­schwellig den Alltag bestimmen.

WALTER AUE, Cadaques im Dezember1992

Aktuell
La Vida
Aura der Dinge
Arbeiten
Links
Forum
Kontakt